Erna Musik (1921-2009)

17. April 1921 – 8. März 2009

Erna Musik (vorne mit der „Winkelfahne“) in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Foto: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung

Erna Musik (vorne mit der „Winkelfahne“) in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
Foto: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung

Erna Musik, geb. Raus, wurde als Jüngste von sieben Geschwistern in Wien geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters – Erna war zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt – hatte die Mutter, Inhaberin einer Weißnäherei, die achtköpfige Familie alleine zu ernähren.
Über ihre älteren Brüder, die alle in sozialistischen Kinder- und Jugendorganisationen organisiert waren, fand auch sie sehr früh Anschluss an diese Gruppen. Bei den „Roten Falken“ sollte sie auch ihren späteren Ehemann und Vater ihrer drei Kinder kennenlernen.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich vieles für Erna Musik und ihre Familie. Ihre jüdische Herkunft – die Mutter war Jüdin, der Vater Christ – spielte plötzlich eine Rolle; der Betrieb der Mutter wurde „arisiert“; in die Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung der Mutter wurden zwei weitere Familien gepfercht; Ernas Verlobung und Mutterschaft (sie brachte 1942 ihre erste Tochter zur Welt) waren nun Verstöße gegen die so genannten Rassegesetze.
Erna und Karl Musik waren auch durch die illegale politische Tätigkeit gefährdet, die Karl schon während des Austrofaschismus mit der Gründung einer Zelle Revolutionärer Sozialisten begonnen hatte. Letzteres führte auch Ende 1943 zu Erna Musik‘s Verhaftung. Zunächst saß sie rund sechs Monate im Polizeigefängnis Roßauer Lände ein, wo sie zahlreiche Verhöre über sich ergehen lassen musste.
Als Politische und als „Mischling ersten Grades“ wurde sie schließlich am 15. April 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie bis zur Auflösung des Lagers zunächst Grasziegel stechen und dann in der Reinigungsbaracke („Sauna“) für Neuankömmlinge als „Sauna-Mädchen“ arbeiten musste. Obwohl sie selbst oft den Mut verlor, wie sie im Interview mehrmals betonte, setzte sie ihre Widerstandstätigkeit auch im KZ fort und half anderen Frauen nach ihren Möglichkeiten. Im Jänner 1945 kam sie auf einem Todesmarsch und mit einem Evakuierungstransport nach Ravensbrück; wenige Wochen später wurde sie in dessen Nebenlager Malchow geschickt, wo Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik zu leisten war. Nach der Befreiung im April 1945 kehrte Erna Musik großteils zu Fuß nach Wien zurück.
Das Leben nach der Befreiung war geprägt von Familie, Beruf und politischem Engagement. Bald nach ihrer Rückkehr heiratete sie Karl Musik und gründete eine eigene Weißnäherei. Erna Musik baute als Funktionärin des Freien Wirtschaftsverbandes das Frauenreferat auf und war erste sozialdemokratische Fachgruppenvorsteherin in der Wirtschaftskammer. Im Rahmen ihrer politischen Betätigung war sie lange Bezirksrätin im Wiener Gemeindebezirk Brigittenau.
Teil ihres politischen Selbstverständnisses war es auch, beständig gegen neofaschistische und -nazistische Tendenzen aufzutreten. Dies tat sie in Form der Mitgestaltung an der österreichischen Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz und als Zeitzeugin an österreichischen Schulen, als Mitglied und Ehrenvorsitzende des Bundes sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, als Mitglied der Österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz sowie als Mitglied der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück, deren Obfrau sie in den Jahren 2000 bis 2005 war.
Krankheitsbedingt musste sie in letzter Zeit viele Aktivitäten unterlassen, konnte immer seltener ihre Wohnung verlassen. Erna Musik starb am 8. März 2009 88-jährig in Wien.

Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen
Wien, im März 2009


Die lebensgeschichtlichen Interviews mit Erna Musik, geführt von Brigitte Halbmayr (Kamera: Tina Leisch), sind Bestandteil des VideoArchivs Ravensbrück.