Toni Bruha (1915-2006)

1. März 1915 – 27. Dezember 2006

Antonia Bruha 1998. Videostill: Bernadette Dewald

Antonia Bruha 1998. Videostill: Bernadette Dewald

Abschiedsrede

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Verwandte von Toni Bruha!
Ich habe Toni erst 1995 kennen gelernt, da war sie bereits 80 Jahre alt! Aber auch in diesem hohen Alter und viele Jahre danach noch hat sie jene Kraft und jenen Mut ausgestrahlt, die Rosa Jochmann in einem herzlichen Brief an Toni – anstelle eines Vorwortes zu ihrem autobiografischen Buch „Ich war keine Heldin“ – so beschrieben hat:
„Liebe Toni, Du tapferer Mensch! Du, die Du immer ein Lächeln auf den Lippen hattest, niemals mutlos warst, sondern immer helfend-gebend-lindernd – von Dir wussten nur die engsten Freunde, dass daheim bei Deinem geliebten Mann Pepi ein Baby auf Dich wartet. Du hast Dir nicht erlaubt, Deinem namenlosen Leid nachzugeben. Du warst immer da, brachtest Medikamente unter Lebensgefahr auf den Block, rettetest mit den Freundinnen Anny, Bertl, Mitzi, Hermi so manches Leben. Hunderte Male standest Du mit einem Fuß im Grab; aber die Freundschaft war wunderbar, es gab keinen Verrat. Das alles tatest Du und noch viel mehr, immer gläubig, wissend, dass es ein Ende geben musste, dass ein solches Grauen nicht Bestand haben konnte. Du hast niemals die Hoffnung verloren, und dadurch schenktest Du mancher die Kraft zum Weiterleben-Wollen.“
Toni Bruha wurde 1941 verhaftet – nach vielen Jahren im sozialdemokratischen Widerstand während des Austrofaschismus bzw. später in einer großen tschechischen Widerstandsgruppe. Sie hatte Flugblätter geschrieben und verteilt und sich an Sabotageaktionen beteiligt. Die erst drei Monate alte Tochter wurde ihr auf der Gestapo entrissen und diese als Druckmittel bei den brutalen Verhören eingesetzt. Nach einem Jahr in Wiener Gefängnissen, viele Monate davon in Einzelhaft, kam sie im Oktober 1942 ins Konzentrationslager Ravensbrück, „der Hölle der Frauen“, wie Ravensbrück später genannt wurde. Dort war sie auf dem Block der politisch Verfolgten untergebracht und in der Krankenbaracke als sogenannte Revierläuferin tätig – eine wichtige Position, die sie für ihr Engagement im illegalen internationalen Lagerkomitee nützte. Solidarität war bei Toni immer groß geschrieben, sie war unter äußerster Gefahr an vielen Hilfsaktionen beteiligt. Nach insgesamt vier Jahren Haft kam Toni zu Kriegsende völlig ausgemergelt nach Wien zurück und musste sich mühsam einen Alltag schaffen, beruflich wie privat.
Selbstverständlich kannte Toni auch Verzweiflung, unsagbaren Schrecken und Todesangst, doch ihr Wille zum Überleben und zur Solidarität mit anderen blieb dennoch ungebrochen.
Toni wollte sich nicht als Heldin sehen, aber durch ihre Widerständigkeit von Jugend auf, ihr Engagement über Jahrzehnte und ihr energisches Eintreten für Demokratie und Freiheit und gegen Diktatur und Unterdrückung haben sie zur weithin bekannten Persönlichkeit gemacht.
In der Festveranstaltung zum 50 jährigen Bestehen der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück, 1997, hat sie einen Rückblick über „50 aktive Jahre“ nach der Befreiung aus Ravensbrück gehalten. Dabei hat sie über zahlreiche Tätigkeiten berichtet, an denen sie selbst beteiligt war, wie etwa der Gründung der Lagergemeinschaft, der Gestaltung des österreichischen Gedenkraums in Ravensbrück, die Ravensbrück-Ausstellung in den 60er Jahren, die in Wien, Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg gezeigt wurde, zudem eine Aufklärungsbroschüre zu Ravensbrück primär für Jugendliche, die Organisation internationaler Ravensbrück-Treffen in Österreich usw. usf.
Darüber hinaus war Toni Bruha als äußerst sorgsame Kassierin über die Jahrzehnte eine wichtige Stütze für die österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück. Vor allem aber gilt Toni ein großer Dank für den Aufbau und die umsichtige Betreuung des Ravensbrück-Archivbestands im Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstands, dessen jahrelange ehrenamtliche Mitarbeiterin sie war. Ein Bestand von über 800 Akten – Dokumente, Erinnerungsberichte und Prozessakten zu den Lagern Ravensbrück und Uckermark – war bereits vielen ForscherInnen und Interessierten wichtige Grundlage ihrer Arbeit und wird es weiterhin sein. Natürlich muss auch Tonis unermüdlicher Einsatz als Zeitzeugin in den österreichischen Schulen erwähnt werden. Mit ihrer eindringlichen, immer sehr lebhaften und authentischen Erzählweise fand sie Zugang zu Herz und Verstand vieler Hunderter Schülerinnen und Schüler und konnte die Notwendigkeit politischen Engagements und persönlichen Einsatzes begeisternd vermitteln.
Heute müssen wir uns von Antonia Bruha, unserer lieben Toni, verabschieden. Toni war eine kleine, zierliche Frau, aber groß und großartig in ihrer inneren Stärke. Wir werden sie als unermüdlich in ihrem antifaschistischen Engagement, als mutige und herzliche Frau und liebe Freundin in Erinnerung behalten.

Brigitte Halbmayr, Obfrau, im Namen der Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen
Wien, 8. Jänner 2007


Antonia Bruha „Ich war keine Heldin"

 

Toni Bruha veröffentlichte ihre nach der Befreiung aufgeschriebenen Erinnerungen an die Haft in Wien und Ravensbrück 1984 unter dem Titel Ich war keine Heldin (Neuauflage 1995).
Taschenbuch: 160 Seiten, Europa Verlag
ISBN-10: 3203755009, ISBN-13: 978-3203755007

 

 

 

Zwei lebensgeschichtliche Interviews mit Toni Bruha, geführt von Helga Amesberger (Kamera: Bernadette Dewald), sind Bestandteil des VideoArchivs Ravensbrück.