1. Juni 1922 – 16. März 2011
Aloisia Hofinger kam 1922 in der Nähe von Linz, Oberösterreich, zur Welt und wuchs in den sehr ärmlichen Verhältnissen eines Arbeiterhaushalts auf. Sie musste sich sehr früh ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, an eine weiterführende Schulausbildung oder Lehre war nicht zu denken.
Auf einem Bauernhof im benachbarten Ottensheim, wo sie die Stelle einer Stallmagd annahm, lernte Aloisia Hofinger als 18-Jährige den gleichaltrigen Polen Josef Gowdek kennen, der dorthin als ziviler Zwangsarbeiter zugeteilt war. „Ich hab ihn gesehen und hab mir gedacht, es ist vorbei um mich“, so erinnerte sich Aloisia an ihre erste Begegnung mit ihm. Josef war selbst Sohn eines Bauern und war direkt von der Feldarbeit weg mit anderen Männern auf Lastwagen verfrachtet und nur mit dem, was sie in diesem Moment bei sich hatten, in das „Deutsche Reich“ zur Zwangsarbeit verschleppt worden. Das Liebesverhältnis der beiden ließ sich nicht mehr geheim halten, nachdem Aloisia schwanger geworden war, eine ältere Magd am Hof denunzierte sie. Anfang Mai 1942 wurde Josef verhaftet, Aloisia wenige Tage später, beide wurden auch verhört. Als Hochschwangere entließ man Aloisia nach zwei Wochen wieder, damit sie Anfang Juli ihre Tochter Annemarie zur Welt bringen konnte, Josef blieb in Gestapo-Haft. Dass der Bruder ihrer Firmpatin die Vaterschaft für Annemarie übernommen hatte, nützte beiden nichts, weder Aloisia noch Josef. Genau vier Monate nach der Geburt ihrer Tochter wurde Aloisia abermals verhaftet. Im Keller der Linzer Gestapo traf sie ein letztes Mal Josef, schwer gezeichnet von den Misshandlungen der vergangenen Monate. Durch ein Handzeichen gab er ihr zu verstehen, dass er gehängt werden würde.
Nach siebentägigem Transport über Prager und Leipziger Gefängnisse erreichte Aloisia Hofinger am 14. November 1942 das Konzentrationslager Ravensbrück, wo sie unter der Nummer 15074 registriert wurde. Ein Jahr lang musste sie die Qualen und Schrecken der KZ-Haft überstehen. Die Erinnerungen an diese Zeit sind geprägt von der beständigen Angst, in der sie lebte. Anfangs den „Verfügbaren“ zugeteilt, erfuhr ihr Lageralltag eine gewisse Erleichterung, nachdem sie zur Zwangsarbeit bei Siemens aufgenommen und zur Produktion von Drahtspulen eingesetzt worden war. Ihr Bestreben war, ja nicht aufzufallen und sich dem Schrecken zu fügen, um später zur Tochter heimkehren zu können.
Am 20. November 1943 wurde Aloisia Hofinger nach gut einem Jahr Haft entlassen. Zuvor musste sie noch schriftlich ihr Stillschweigen über die KZ-Haft versichern. Sie kehrte nicht zu ihren Eltern, sondern auf den Bauernhof in Ottensheim zurück, denn die Bauersleute waren es auch, die Tochter Annemarie in Obhut genommen hatten. Allerdings war diese ein paar Wochen zuvor an Diphtherie gestorben. Im April 1945 gab sie dem Werben ihres zukünftigen Mannes, einem Bauern aus der Umgebung, nach und heiratete ihn, wenngleich sie anfangs keine Liebe für den 18 Jahre älteren Mann empfand. Der Ehe entstammen drei Kinder, Johann (1946), Margareta (1947) und Elfriede (1951).
Aloisia Hofingers Leben nach der KZ-Haft war von Scham und Schuldgefühlen geprägt. Die ersten zehn Jahre ging sie nicht ins Dorf, weil sie das Gerede der Leute fürchtete. Über ihre Erfahrungen konnte sie Jahrzehnte lang nicht sprechen. Erst ihre halbwüchsigen Töchter fragten eingehender nach, später interessierte sich auch der Enkelsohn für das Leben der Großmutter. Die in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgten Interview- und Videodokumentationen, die Entschädigungszahlungen und die Portraitierung in der Ortschronik Walding erachtete Aloisia Hofinger als späte Anerkennung ihres Verfolgungsschicksals.
Im Jahr 2013 wurde in Ravensbrück die neu gestaltete Hauptausstellung eröffnet. Aloisia Hofingers Biografie wird dort – als Vertreterin für den Verfolgungs- und Inhaftierungsgrund „Verbotener Umgang“ / „Verkehr mit Fremdvölkischen“ – dargestellt. Für die Recherche dafür habe ich sie im September 2010 und Jänner 2011, gemeinsam mit ihrer Tochter Elfriede, besucht – wie immer empfing sie die Gäste mit Freude und einem warmen Lächeln. Wie schade, dass wir davon nicht mehr beschenkt werden können. Am 16. März 2011 ist Aloisia Hofinger im Beisein ihrer Tochter gestorben.
Brigitte Halbmayr
Zu Alosia Hofinger siehe auch ihr Portrait in der Ausstellung „Wege nach Ravensbrück“ (1999)
Filme:
Videoportrait „Soviel Angst“ von Bernadette Dewald aus der Reihe VISIBLE (2009), Vom Leben und Überleben (2003) von Bernadette Dewald und Gerda Klingenböck sowie in Rette mich! Österreichische Überlebende des Frauen-KZ Ravensbrück (1999) von Katrin Auer, Daniela Gahleitner, Sylvia Köchl, Tina Leisch, Corinna Oesch, Christa Putz, Michaela Schaurecker, Corinne Schweizer