4. August 1919 – 2. September 1989
Vilma Steindling wurde 1919 in Wien unter sehr ärmlichen Verhältnissen in eine jüdische Familie namns Geiringer hineingeboren. Der Vater starb, als sie drei Jahre alt war, die Mutter erkrankte schwer, als sie acht Jahre alt war. Vilma kam daraufhin ins jüdische Waisenhaus im 19. Bezirk. Mit dreizehn Jahren verlor sie dann auch ihre Mutter. Nach der Hauptschule wollte sie eigentlich Krankenschwester werden. Dies war aber erst mit 18 Jahren möglich. So absolvierte sie eine Lehre als Modistin, was ihr wenig Spaß machte. Vilma entwickelte schon früh eine soziale Ader und engagierte sich mit fünfzehn Jahren im Kommunistischen Jugendverband, der so wie die KPÖ im Austrofaschismus verboten war. Im KJV lernte sie ihren späteren Lebensgefährten Arthur Kreindel kennen, der schon 1937 nach Paris emigrierte. Nachdem sie ihre Lehre abgeschlossen hatte, folgte sie ihm einige Monate vor dem Anschluss nach.
Arthur Kreindel war Kürschner und konnte in Paris selbstständig arbeiten, während Vilma keine Arbeitserlaubnis hatte und sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug. Vilma schloss sich auch in Paris den dortigen österreichischen Kommunisten an. Nach der Besetzung von Paris schickte die Partei sie im Sommer 1940 mit acht weiteren Frauen und einem Mann in das nicht besetzte Südfrankreich. Nach Vilmas Rückkehr nach Paris engagierte sie sich gemeinsam mit anderen jungen Frauen in der Travail Allemand (TA), in der sogenannten Mädelarbeit. Diese bestand darin deutsche Soldaten anzusprechen und sie von der Sinnlosigkeit des Krieges zu überzeugen.
Die Arbeit war durchaus nicht ungefährlich, die Frauen konnten jederzeit denunziert werden. Vilma hatte das Pech, als Erste ihrer Gruppe Ende 1942 verraten zu werden. Bei einem der Treffen brachte der Soldat einen Feldgendarmen mit, der Vilma verhaftete. Man brachte sie in das von den Nazis besetzte Gefängnis Fresnes in Paris, wo sie stundenlang verhört wurde, aber nicht gefoltert, weil man nicht wusste, was ihr vorzuwerfen ist.
Schließlich wurde ihr nach drei Monaten der Prozess gemacht und sie wurde zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Sechs Monate später verlegt man sie in die Festung Romainville in Fresnes. Nach weiteren drei Monaten kam sie in die „Petite Roquette“, genannt „Le Dépôt“ in Paris, ein Gefängnis für Widerstandskämpferinnen und Jüdinnen, eine Art Schubhaft. Kurz brachte man sie in das Übergangslager Drancy, von wo sie schließlich Anfang August 1943 nach Auschwitz deportiert wurde.
Dort war Vilma den weitgehend bekannten Gräueln ausgesetzt, schwerste Arbeit, Hunger, Terror, Schläge, Krankheiten, Selektionen. Auch in Auschwitz schloss sie sich der kommunistischen Lagerorganisation an, die sie letztlich vor der Vernichtung rettete. Mit ihrer Hilfe bekam sie gelegentlich eine Brotration, leichtere Arbeit und wurde einige Male von der Selektionsliste gestrichen.
Im Jänner 1945 wird Auschwitz evakuiert und Vilma kam auf den Todesmarsch nach Ravensbrück. Dort traf sie alte Freundinnen wieder, die ihr halfen, sodass sie auch dort der Vergasung entgehen konnte.
Im April 1945, kurz vor Kriegsende, reiste das Schwedische Rote Kreuz nach Ravensbrück mit der Absicht, die Französinnen zu befreien. Da Vilma als Französin galt, wurde sie nach Schweden mitgenommen, wo sie sich drei Monate erholen konnte. Anschließend wurde sie nach Paris repatriiert. In der Folge reiste Vilma auf abenteuerliche Weise nach Wien und brachte dort in Erfahrung, dass Arthur in Dachau ermordet worden war.Nach Obdachlosigkeit und langen Irrwegen fand Vilma Unterschlupf in einer Unterkunft gemeinsam mit anderen Leuten. Ihrer sozialen Ader entsprechend, begann sie eine Ausbildung als Fürsorgerin, lernte Adolf Steindling kennen und bekam von ihm zwei Töchter. Ihr Mann fand eine Anstellung bei der USIA und die Familie konnte in ein von den Sowjets besetztes Haus in der Taborstraße ziehen.
Vilma arbeitete während ihrer Ausbildung zur Fürsorgerin halbtags im Jugendamt, danach übernahm sie dort eine Vollzeitstelle. Aufgrund ihres sozialen Engagements hatte sie eine Leidenschaft für diesen fordernden Beruf. Später arbeitete Vilma ehrenamtlich für die Bewährungshilfe und danach halbtags für die Wiener Pensionistenheime. Sie war Mitglied der KPÖ, sehr engagiert und arbeitete für die Partei. 1968 nach dem Einmarsch der Sowjets in die Tschechoslowakei trat sie aber enttäuscht aus der Partei aus.
Die traumatischen Folgen der erlittenen KZ-Haft äußerten sich bei Vilma in Ess- und Schlafstörungen, die Scheidung von ihrem Mann löste bei ihr eine schwere Depression aus. Gewaltig traten die Folgen der KZ-Haft nach der Geburt des zweiten Enkelkindes auf. Vilma konnte das Weinen des Babys nicht ertragen, es erinnerte sie an ein Baby in Auschwitz, das so lange winselte, bis es starb.
Vilma war Mitglied des KZ-Verbands und ging regelmäßig zu den Treffen. Wöchentlich trafen sich die ehemaligen „KZ-ler“ und sprachen über ihre Erlebnisse.
Vilma starb im Jahr 1989 im Alter von 70 Jahren.
(Quelle: Ruth Steindling, Claudia Erdheim: Vilma Steindling. Eine jüdische Kommunistin im Widerstand.)